Eine Entschuldigung und eine Rückkehr

Nach dem vereitelten Überfall der Bande der Eisenmänner war wieder etwas Ruhe eingekehrt. Die Tage nahmen wieder ihren gewohnten Verlauf. Freya jedoch war unruhig und fühlte sich wie getrieben, sie konnte die vielen Gedanken, die sich beständig in ihrem Kopf im Kreis drehten, kaum ordnen. Lord Mormont war schweigsam und zurückgezogen, sie bekam ihn kaum zu Gesicht und hatte so auch keine Möglichkeit, ihn in Ruhe zu seinen Überlegungen in Bezug auf all die seltsamen Vorkommnisse auf der Bäreninsel zu befragen. Ser Robin ließ sich nicht auf der Burg blicken; Freya fragte sich, ob er sich bewusst fern hielt. Auch Charis hatte sie in den letzten Tagen nicht gesehen, sie war wohl beschäftigt, und sie hütete sich, Alester aufzusuchen, auch wenn dieser vielleicht interessante Gedanken zu der Gruppe Eisenmänner zu teilen gehabt hätte. Insgesamt fühlte sie sich unrund, wie immer, wenn es auf ihre vielen Fragen keine befriedigenden Antworten gab.

In der Einsamkeit im Steinkreis unter den uralten Bäumen sucht Freya nach Erklärungen und Antworten auf die Fragen, die sie beschäftigen.
In der Einsamkeit im Steinkreis unter den uralten Bäumen sucht Freya nach Erklärungen und Antworten auf die Fragen, die sie beschäftigen.

Am frühen Abend betrat sie die Terrasse, als gerade Dyrka und Lord Mormont – mit möglichst viel Raum zwischen sich – eine Unterhaltung führten. Um was es ging, konnte Freya nicht ausmachen, denn beide grüßten sie sofort, wobei Dyrka in ihrer unnachahmlichen Art sofort ihr Entsetzen über Freyas schwarzes Kleid zum Ausdruck brachte. „Wie eine Witwe!“ stieß sie empört hervor und beklagte sich bei ihrem Schwager, dass die junge Stark so wohl nicht attraktive Heiratskandidatin zu erkennen wäre. Wenngleich sie diesen Gedanken nur andeutete, war aus ihrer Haltung und Mimik klar zu erkennen, was sie meinte. Freya schoss die Röte ins Gesicht, als ihr Vormund  recht wortreich erklärte, Schönheit sei nicht von der Kleiderfarbe abhängig und so weiter, und Dyrka ihn mit hochgezogenen Brauen darauf aufmerksam machte, dass man seine Worte leicht mit Frühlingsgefühlen in Verbindung bringen könnte. Das Geplänkel ging noch eine Weile hin und her. Freya bemühte sich, sich rasch für die mitgebrachten exotischen Pflanzen zu bedanken, die Dyrka ihr als Reisesouvenir zugedacht hatte und nach den wahrscheinlich prall gefüllten mitgebrachten Kisten zu fragen. Ihr war nicht ganz wohl unter Dyrkas Blicken und deren beißenden Bemerkungen.

Freya betrachtet voll Verwunderung und leiser Faszination Dyrkas gewaltigen Kopfputz.
Freya betrachtet voll Verwunderung und leiser Faszination Dyrkas gewaltigen Kopfputz.

Die ominösen Kisten aus der Eingangshalle waren wohl mittlerweile verschwunden und die Inhalte in Dyrkas Gemächern und wo sonst auch immer gelandet. Gerade, als Freya das Gesprächsthema in Richtung der gewaltsamen Vorfälle der vergangenen Tage lenkte, erschienen Ser Robin und Cypria auf dem Altan. „Wie aufs Stichwort!“ raunte Dyrka ihr zu. „Vielleicht weiß Ser Robin mehr zu berichten!“ Immerhin schloss Freya daraus, dass auch Dyrka als Schwägerin des Lords nicht viel mehr über die Zusammenhänge wusste als sie selbst. „Wir wissen noch nichts Näheres!“ meinte der Lord, was auch von Ser Robin bestätigt wurde. Dieser fügte jedoch hinzu, dass er die Vermutung hatte, dass der Rest der Eisenmänner gegebenenfalls ein Lager irgendwo in einer versteckten Bucht haben könnte. Keiner von beiden sprach mit einem Wort den ledernen Umschlag an, den Ser Robin dem Lord am Abend des Kampfes mit bedeutungsvollem Blick zugesteckt hatte. Freya verzichtete darauf, nachzufragen. Das würde sie sicher nicht in der Gegenwart Cyprias tun, die offenbar nervös war und Freya schließlich um eine Unterredung bat. Offenbar hatte Ser Robin sie aus diesem Grunde auf die Burg eskortiert, wie Freya sich geistig notierte.

Cypria wird von Ser Robin zur Burg geleitet, sie sucht ein Gespräch mit Freya.
Cypria wird von Ser Robin zur Burg geleitet, sie sucht ein Gespräch mit Freya.

„Nehmt Platz,“ wies Freya sie mit einer Handbewegung und unbestimmtem Gesichtsausdruck an. Sie hatte nicht vor, Cypria die Peinlichkeit zu ersparen, vor den versammelten Personen zu sagen, was auch immer sie sich zurecht gelegt hatte. Für sie war längst klar, dass sie der jungen Schnee nicht mehr vertrauen würde, aber sie war gespannt, was nun folgen würde. Cypria setzte sich; sie wirkte klein und verloren in dem mit Fell bedeckten großen Polsterstuhl. Sie räusperte sich und sprach mit leiser Stimme eine Entschuldigung aus: „Ich habe dumm gehandelt und falsche Schlüsse gezogen. Bitte verzeiht mir. Ich wollte Euren Ruf nicht beschädigen, Lady Freya.“ Aber das hast du, dachte Freya, das hast du, und das vergesse ich nicht. Sie spürte den Blick Lord Mormonts auf sich und war sich bewusst, dass auch Dyrka und Ser Robin, der zwischen ihr und Cypria an der Brüstung lehnte, das Gespräch aufmerksam verfolgten. Freya schwieg eine Weile, zu leicht wollte sie es Cypria nicht machen. Dann lächelte sie und sagte mit freundlicher Stimme: „Nun, wenn Ihr Euch selbst aus freien Stücken dazu entschlossen habt, Cypria … Ich nehme Eure Entschuldigung natürlich an.“

Cypria sieht nervös und sehr klein in ihrem Polstersessel aus, ihre Stimme ist kratzig und sie wirkt fahrig.
Cypria sieht nervös und sehr klein in ihrem Polstersessel aus, ihre Stimme ist kratzig und sie wirkt fahrig.

„Ich habe sie zu nichts überredet,“ sagte ihr Vormund sogleich, ihm schien es wichtig zu sein, dass man sich einigte. „Sie hat sich auch bereits mir anvertraut und um Verzeihung gebeten.“ Cypria sagte, dass ihre Entschuldigung von Herzen komme. Freya richtete sich auf und nickte schnell, etwas sehr schnell, wie sie selbst bemerkte, aber alle schienen zufrieden zu sein. Dyrka schnappte den Namen Alester Glovers in Cyprias Erklärung auf und ereiferte sich sofort, dass er wohl an allem Schuld sei, möglicherweise auch an Lady Tatjanas Verwundungen. Diese Theorie wurde von Lord Mormont und Ser Robin sogleich als nicht wahrscheinlich bezeichnet, aber beide ließen eindeutig erkennen, dass sie nichts von ihm hielten und dass er beizeiten für sein Verhalten eine angemessene Strafe bekommen würde, heftig unterstützt von Dyrka. „Nun, seine letzte Tat war doch wohl nicht so schlecht,“ warf Freya ein. „Immerhin hat er die tapferen Männer unter Ser Robins Kommando beim Kampf gegen die Eisenmänner unterstützt und sich dabei starke Verletzungen zugezogen.“ Sie registrierte interessiert, dass Cypria erleichtert schien, dass jemand für Alester gesprochen hatte, ein Punkt, der sie in einer ihrer Annahmen bestätigte. Lord Mormont und Ser Robin, sowie Dyrka schienen nicht geneigt, Alesters Eingreifen positiv in die Waagschale zu werfen. „Warum er sich dem Kampf angeschlossen hat, kann ich nicht sagen. Ob es war, um die Bäreninsel zu schützen oder weil er einfach gegen Eisenmänner kämpfen konnte …“ bemerkte Lord Mormont treffend. In der Tat, dachte Freya. Den kämpfenden Wachen, die dadurch weniger Verletzungen davongetragen hatten, war es möglicherweise eher egal, was das Motiv gewesen war …

Nachdem Freya die Entschuldigung Cyprias mit freundlicher Stimme angenommen hatte, drehte sich das Gespräch wieder um den Überfall der Eisenmänner.
Nachdem Freya die Entschuldigung Cyprias mit freundlicher Stimme angenommen hatte, drehte sich das Gespräch wieder um den Überfall der Eisenmänner.

„Nun, er wird sicherlich bald wieder voll bei Kräften sein, da ich seine Blutung stoppen und seine Wunde nähen konnte,“ erklärte Freya. „Lady Tatjana allerdings hat es nicht so gut erwischt … die Klinge, die ihr die Verletzungen beigebracht haben, waren rostig oder zumindest schmutzig … sie liegt im Wundfieber und ich fürchte das Schlimmste.“ Ser Robin verbeugte sich mit einem undurchschaubaren Lächeln und bedankte sich bei Freya für die Heilung Alester Glovers, da es wohl unfair gewesen wäre, wenn er ihm nicht bei voller Gesundheit entgegentreten würde. Mitten in diese Unterredung platzte nun eine Person herein, die man wohl am wenigsten erwartet hatte: es handelte sich um Orchi, die offenbar von ihrer Reise zurückgekehrt war. Sie berichtete nicht viel von sich, schien aber erfreut zu sein, die ihr bekannten Personen wieder zu sehen und mischte sich nach einer Weile des Zuhörens in das Gespräch ein, in dem Vermutungen über die Ungereimtheiten im Falle von Tatjanas Verletzungen geäußert wurden, bis man sich für die Nacht zurückzog …

Orchi war von ihrer unvermuteten Reise ebenso unvermutet zurück gekehrt. Nun hatte Cypria ihre Stelle als Burgwirtschafterin inne ...
Orchi war von ihrer unvermuteten Reise ebenso unvermutet zurück gekehrt. Nun hatte Cypria ihre Stelle als Burgwirtschafterin inne …

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